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Thrombozytopenie bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen (CLD)

Eine Thrombozytopenie ist eine Verminderung der Blutplättchen (Thrombozyten) unter die Grenze des Normbereichs. Dieser liegt zumeist bei ca. 150.000 pro Mikroliter (µl) Blut. Da die Thrombozyten maßgeblich an der Blutgerinnung beteiligt sind, kann ein Mangel dieser Blutzellen abhängig vom Ausmaß zu einer erhöhten Blutungsneigung führen.5,6,7

Thrombozytopenien treten häufig in Zusammenhang mit chronischen Lebererkrankungen auf.5,6,7,8

Verminderte Thrombopoetinproduktion bei CLD

Entstehung und Ursachen für eine Thrombozytopenie bei chronischer Lebererkrankung sind vielfältig. Sie lassen sich grob unterteilen in

  • verminderte Produktion und
  • vermehrten Abbau4,6,7

Eine verringerte Plättchenproduktionsrate bei chronischer Lebererkrankung wird in erster Linie verursacht durch eine erniedrigte Konzentration des Wachstumshormons Thrombopoetin (TPO). Dieses wird vorwiegend in der Leber gebildet und ist daher bei Schädigung der Leberzellen eingeschränkt verfügbar. Es reguliert die Produktion (Thrombopoese) sowie die Reifung von Thrombozyten im Knochenmark. Somit hat eine verminderte TPO-Konzentration zur Folge, dass weniger Plättchen gebildet werden. Beobachtungen bei lebertransplantierten Patienten zeigen, dass die Wiederherstellung funktionsfähiger Leberzellen sowohl zu einer Steigerung der TPO-Spiegel als auch der Plättchenzahlen führt.4,6,7

Weitere Erklärung für die verminderte Thrombozytenproduktion bei chronischer Lebererkrankung ist eine direkte Unterdrückung der Knochenmarkfunktion (Myelosuppression), beispielsweise infolge von Alkoholmissbrauch, unbehandelten Virus- (z. B. Hepatitis C) oder anderen Infektionen, Medikamenten oder Mangelernährung.4,6,7

Zweite bedeutende Ursache für eine Thrombozytopenie bei chronischer Lebererkrankung ist ein vermehrter Abbau von im Blutkreislauf zirkulierenden Plättchen. Dies liegt zum einen an der vergrößerten Milz, in der Thrombozyten aus dem Verkehr gezogen und abgebaut werden.

Die Milzvergrößerung ist die Folge eines erhöhten Drucks in der Pfortader (portale Hypertension). Bei chronischer Lebererkrankung aufgrund einer Zirrhose oder Autoimmunerkrankung werden aber auch über verschiedene immunologische Mechanismen vermehrt Plättchen zerstört. Dabei spielen häufig sog. Autoantikörper eine Rolle, die gegen Thrombozyten gerichtet sind.4,6,7

Häufigkeit der Thrombozytopenie bei CLD

Thrombozytopenie ist die häufigste hämatologische Anomalie bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung (CLD) und tritt bei 64–84 % der Patienten mit Zirrhose oder Fibrose auf.4

Symptome der Thrombozytopenie bei CLD

Eine ausgeprägte Thrombozytopenie ist charakterisiert durch Blutungszeichen an Haut und Schleimhäuten. Typisch sind etwa punktförmige Blutungen (Petechien) vorwiegend an den Beinen, Nasenbluten (Epistaxis), Zahnfleischbluten, Neigung zu Blutergüssen (Hämatome) sowie bei Frauen verstärkte Menstuationsblutungen oder Zwischenblutungen.5

Patienten mit Thrombozytopenie haben ein erhöhtes Risiko für Blutungskomplikationen in Zusammenhang mit diagnostischen (z. B. Endoskopie, Leberbiopsie) oder Operationen. Gerade bei Patienten mit Leberzirrhose sind aufgrund dieser Erkrankung relativ häufig solche Eingriffe notwendig.6

Eine Thrombozytopenie kann der erste auffällige Laborbefund sein, der eine Leberfunktionsstörung ankündigt. Ihr Ausmaß steht sowohl in Zusammenhang mit dem Schweregrad der Lebererkrankung als auch mit dem langfristigen Krankheitsverlauf.6

Verlauf der Thrombozytopenie bei CLD

Der Verlauf einer Thrombozytopenie bei chronischer Lebererkrankung ist abhängig von Art, Ursache und Verlauf der zugrunde liegenden Lebererkrankung sowie von ggf. vorhandenen Begleiterkrankungen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für schwere und lebensbedrohliche Blutungen, da die Elastizität der Gefäße abnimmt. Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Sepsis oder weitere Gerinnungsstörungen können das Risiko zusätzlich erhöhen. Ähnliches gilt für blutgerinnungshemmende Medikamente (sog. Thrombozytenaggregationshemmer und Antikoagulanzien).5

Diagnose der Thrombozytopenie bei CLD

Die Diagnose einer Thrombozytopenie wird anhand einer Blutuntersuchung gestellt, bei der die Blutzellen gezählt werden (Blutbild). Weitere Untersuchungen geben Aufschluss über die Ursache, sofern diese nicht bereits bekannt ist.5

Eine Thrombozytopenie ist zumeist definiert als eine Plättchenzahl von weniger als 150.000 Zellen pro Mikroliter (µl) Blut. Häufig wird sie noch in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt, entweder anhand der Thrombozytenzahl oder hinsichtlich der Art und Schwere von auftretenden Blutungen. Diese Einteilungen sind jedoch nicht überall einheitlich.5,6,7

Bei Vorliegen einer chronischen Lebererkrankung ist die Thrombozytopenie nur eines von mehreren auffälligen Laborbefunden und Symptomen. Sie ist dann in der Regel Anzeichen für einen erhöhten Blutdruck in der Pfortader (portale Hypertension)6 wie auch für eine Milzvergrößerung (Splenomegalie)9. Bei Patienten mit Zirrhose liefert das Ausmaß der Thrombozytopenie bereits früh Hinweise auf den weiteren Verlauf und Ausgang (Prognose) der Erkrankung.6,7,11

Behandlungsmöglichkeiten der Thrombozytopenie bei CLD

Die Behandlung einer Thrombozytopenie bei chronischer Lebererkrankung orientiert sich an Entstehung und Schweregrad bzw. Art und Ursache der zugrunde liegenden Lebererkrankung sowie individuellen Besonderheiten und Risikofaktoren beim Patienten (z. B. Begleiterkrankungen, Medikamente).5

Nicht immer muss die Thrombozytopenie behandelt werden. Leichtere Ausprägungen (> 75.000 - 150.000/µl) sind im Allgemeinen nicht behandlungsbedürftig. Blutbild und Leberfunktion sollten jedoch regelmäßig kontrolliert werden. Bei mittelgradiger (im Bereich von 50.000 – 100.000/µl) bis schwerer (< 50.000/µl) Thrombozytopenie ist vor chirurgischen Eingriffen und bei Blutungen eine Behandlung erforderlich. Abhängig vom Blutungsrisiko sollten die Thrombozytenzahlen dabei auf Werte von mindestens 50.000 – 100.000 pro µl angehoben werden.6,8

Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, die Thrombozytenzahl vor einem geplanten Eingriff gezielt anzuheben: über eine Thrombozytentransfusion oder mit Medikamenten, den sog. Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten.5,6

  • Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TPO-RA) haben einen direkten Einfluss auf die Bildung von Thrombozyten bzw. deren Vorstufen, indem sie die Wirkung des körpereigenen (endogenen) Hormons Thrombopoetin (TPO) nachahmen. Zwei neuere Vertreter dieser Wirkstoffklasse wurden aufgrund ihres fortschrittlichen Sicherheits- und Wirksamkeitsprofils als erste TPO-RA für dieses Anwendungsgebiet zugelassen. Sie werden in Tablettenform eingenommen und ermöglichen auch über einen längeren Zeitraum anhaltend angehobene Plättchenzahlen, um geplante Eingriffe sicher durchführen zu können.5,6,8
  • Eine andere Maßnahme ist die Transfusion von Spenderthrombozyten. Zwar ermöglicht sie es, die Thrombozytenzahlen kurzfristig sehr rasch anzuheben, jedoch ist sie mit einer Reihe von Risiken (z. B. Überempfindlichkeitsreaktionen, Fieber, Infektionen) sowie logistischen Schwierigkeiten (Überwachung des Patienten in einer Klinik/einem Zentrum, zeitliche Verfügbarkeit von geeigneter Thrombozytenkonzentrate, Terminplanung, Lagerung und Haltbarkeit der Thrombozytenkonzentrate) verbunden.5,6,11

Glossar

Erklärung der wichtigsten Fachbegriffe mit Bezug auf Thrombozytopenie.

Zum Glossar

1.    Matzdorff A et al. Oncol Res Treat 2023; 46 (suppl 1): 7 – 53 Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1159/000528819 Letzter Zugriff: am 06.12.2023
2.    Neunert CE. Blood 2017;1: 400–405
3.    Al-Samkari J, Kuter DJ. Ther Adv Hematol 2019; 10: 1–13
4.    Mitchell O, Feldman DM, Diakow M et al. Hepatic Med 2016; 8: 39–50
5.    Kreuzer K-A, Gattermann N, Gebhart J et al. Onkopedia Leitlinie Thrombozytopenie. Stand: Aug. 2019. Online verfügbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/thrombozytopenien/@@guideline/html/index.html. Letzter Zugriff: am 06.12.2023
6.    Nilles KM, Flamm SL. Clin Liver Dis 2020; 24: 437–451
7.    Peck-Radosavljevic M. Liver International 2017; 37: 778–793
8.    Saab S, Brown RS. Digestive Dis Sci 2019; 64: 2757–2768
9.    Afdhal N et al. J Hepatol 2008; 48: 1000-1007
10.  Moore AH. Clin Liver Dis 2019; 14 (5): 183-186
11.  Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. 4. Überarbeitete und aktualisierte Auflage 2014. Online verfügbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/QLL_Haemotherapie_2014.pdf Letzter Zugriff: am 06.12.2023