Bei Sobi machen wir uns stark für Menschen mit seltenen Erkrankungen. Einer unserer Schwerpunkte im Bereich der Hämatologie ist die Behandlung der paroxsymalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Themenübersicht
Was ist paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)?
PNH ist eine seltene Erkrankung, bei der die roten Blutkörperchen zerstört werden. Grund dafür ist ein erworbener Defekt der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Ein spezifischer Teil der körpereigenen Immunabwehr, das sogenannte Komplementsystem, erkennt die defekten Erythrozyten und zerstört diese – ein Vorgang der als Hämolyse bezeichnet wird.
In der Folge wird der eisenhaltige Blutfarbstoff (Hämoglobin) aus den roten Blutkörperchen freigesetzt und über den Urin ausgeschieden.1 So lässt sich auch die komplexe Bezeichnung der Erkrankung besser verstehen. Der Name Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie ist zurückzuführen auf:
Paroxysmal: anfallsartig
Nächtlich: also nachts auftretend
Hämoglobinurie: bedeutet wörtlich „freies Hämoglobin (Blutfarbstoff) im Urin“
Der dunkelbraune (Morgen-)Urin tritt zum Zeitpunkt der Diagnose nur bei etwa 25 Prozent der Patient:innen auf.2 Früher nahm man an, dass die Hämoglobinurie eines der Hauptmerkmale der Erkrankung sei. Inzwischen weiß man aber, dass sich die Erkrankung sehr unterschiedlich äußern kann. Charakteristisch für PNH sind folgende klinische Symptome:

PNH ist eine seltene Erkrankung, da nur eine vergleichsweise kleine Zahl von Menschen betroffen ist: Auf eine Million Einwohner:innen kommen ca. 16 Fälle. Die PNH wird durch eine erworbene genetische Veränderung von Blutstammzellen verursacht. Das bedeutet, es handelt sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, die aber nicht vererbt werden kann. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr auf.3
Was sind die Ursachen?
Das Immunsystem schützt unseren Körper vor bspw. angreifenden Viren und Bakterien, indem es die „Eindringlinge“ zerstört. Ein Teil dieses Abwehrsystems wird als Komplementsystem bezeichnet. Ist allerdings mit unseren eigenen Zellen etwas nicht in Ordnung, dann kann das Komplementsystem unter bestimmten Umständen auch diese angreifen. Genau das passiert bei PNH-Patient:innen.

Wegen einer erworbenen genetischen Veränderung fehlen auf Blutzellen Proteinbausteine an der Zelloberfläche. Dadurch kann das Komplementsystem die roten Blutkörperchen zerstören. Dieser Vorgang nennt sich Hämolyse.
Welche Schweregrade und Symptome treten auf?
PNH kann sich sehr unterschiedlich auf die Menschen und ihren Alltag auswirken. Manchen Patient:innen geht es trotz der Diagnose gut, andere müssen mit vielen Einschränkungen leben, die es ihnen schwer machen, den Alltag selbstständig zu bewältigen. Bei wieder anderen treten Komplikationen auf, die lebensbedrohlich sind.4

Quelle: Schrezenmeier H. et al, J Lab Med 2011; 35 (6): 315-327
Details zu möglichen Symptomen:
Abdominelle Schmerzen
Abdominelle Schmerzen – sind Bauchschmerzen, deren Ursache vielfältig sein kein. Bei PNH-Patient:innen sind sie meist wiederkehrend und teils heftig bis krampfartig.
Anämie
Anämie – bedeutet Blutarmut und zeigt sich durch einen Mangel an Hämoglobin sowie einem Mangel an roten Blutkörperchen.
Arterielle Hypertonie (AHT)
Arterielle Hypertonie (AHT) – erhöhter Blutdruck in den arteriellen Gefäßen
Atemnot (Dyspnoe)
Atemnot (Dyspnoe) – auch bezeichnet als Belastungsdyspnoe, weil sie bei normaler körperlicher Aktivität auftritt.
Dysphagie
Dysphagie - Schluckbeschwerden
Erektile Dysfunktion
Erektile Dysfunktion – über einen längeren Zeitraum anhaltende Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen.
Fatigue
Fatigue – starke Abgeschlagenheit
Ein chronischer Erschöpfungszustand, der unabhängig von Belastungen auftritt und bei dem Ruhe- und Schlafphasen keine Erholung bringen
Gallensteine
Gallensteine – Ansammlung von Kristallen in Gallenblase oder Gallengängen.
Gelbsucht
Gelbsucht – erhöhte Konzentration von Bilirubin im Blut, dadurch Gelbfärbung der Haut, der Schleimhäute und der Lederhaut der Augen
Hämoglobinurie
Hämoglobinurie – durch die Ausscheidung von Hämoglobin verfärbt sich der Urin dunkelbraun.
Hämolyse
Hämolyse – die Zerstörung der roten Blutkörperchen und die Freisetzung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin)
Nierenfunktionsstörung
Nierenfunktionsstörung - voranschreitender Leistungsverlust der Niere
Pulmonale Hypertonie (PHT)
Pulmonale Hypertonie (PHT) – erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf
Thrombophilie
Thrombophilie – die Neigung zur Bildung von Thrombosen (Blutgerinnseln)
Warum fühle ich mich oft schlapp?3,5,8
Vielen PNH-Patient:innen macht vor allem die Müdigkeit, die Abgeschlagenheit sowie die Kurzatmigkeit zu schaffen. Selbst alltägliche Dinge, wie den Müll vor die Türe zu bringen oder den Tisch zu decken, kosten sie Kraft und fallen ihnen schwer. Auch Patient:innen, die eine Therapie mit Biologika erhalten, kämpfen manchmal mit dieser Fatigue (Ermüdungssyndrom).
Woran kann das liegen? Eine mögliche Ursache ist eine weiter bestehende hämolytische Anämie. Also eine Blutarmut, die durch die Zerstörung der roten Blutkörperchen verursacht wird. Die Zerstörung der roten Blutkörperchen kann an zwei Orten stattfinden:
innerhalb der Blutgefäße, dann spricht man von einer intravasalen Hämolyse
außerhalb der Blutgefäße, dann spricht man von einer extravasalen Hämolyse


Trotz einer Therapie mit Biologika kann es vorkommen, dass eine Anämie weiter besteht und Patient:innen regelmäßig Bluttransfusionen benötigen.6
Das liegt daran, dass durch Biologika, die aktuell zu Verfügung stehen, nur die Zerstörung innerhalb der Blutgefäße gehemmt werden kann.7 Seit Dezember 2021 gibt es ein Medikament, das erstmals auch die extravasale Hämolyse hemmen und somit die roten Blutkörperchen auch außerhalb der Blutgefäße besser vor der Zerstörung schützen kann.8, 9
Wie finden Ärzt:innen heraus, dass ich PNH habe?
Die Diagnose einer PNH ist nicht einfach. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist PNH eine seltene Krankheit und betrifft nur sehr wenige Menschen. Zum anderen treten bei diesen Patient:innen häufig sehr unterschiedliche Symptome auf und diese sind, wie etwa Abgeschlagenheit oder Atemnot, auch für eine Vielzahl anderer Erkrankungen typisch.
Blut- und Urinuntersuchung
Aufschluss kann im ersten Schritt eine Untersuchung des Blutes geben. Hier misst die Ärztin/der Arzt z. B. den Hämoglobingehalt, Bilirubin (Abbauprodukt des Hämoglobins) oder Ferritin (Eiweiß zur Eisenspeicherung) und stellt fest, ob eine Anämie, also eine Blutarmut, gemeinsam mit einem Hinweis für PNH vorliegt. Auch eine Untersuchung des Urins kann der Ärztin/dem Arzt Hinweise geben.5
Durchflusszytometrie
Als Goldstandard zur sicheren Diagnose einer PNH gilt die Durchflusszytometrie. Dabei werden im Labor Blutzellen aus dem Blut des/der Patient:in untersucht. Ziel ist es, herauszufinden, ob die roten Blutkörperchen die Proteinbausteine auf der Zelloberfläche besitzen, mit denen sie sich vor dem Angriff des Komplementsystems schützen können.
Wie wird PNH behandelt?
Wie bereits angesprochen, zeigt sich die PNH bei den betroffenen Menschen sehr unterschiedlich. Für einen geeigneten Therapieansatz sollte die Ärztin/der Arzt mit seinem/seiner Patient:in die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten besprechen. So lässt sich gemeinsam entscheiden, welche Therapie für den/die Patient:in, mit seinen/ihren individuellen Symptomen und Herausforderungen im Alltag, die geeignetste ist.
Eine Heilung der PNH ist nur mit einer Stammzelltransplantation möglich. Diese sogenannte kurative Therapie kommt, aufgrund der damit verbunden Risiken, für PNH-Patient:innen nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Betroffenen kann aber mit zielgerichteten Behandlungsmöglichkeiten, welche die Krankheitssymptome spürbar lindern und zudem PNH-bedingte schwerwiegende Komplikationen drastisch reduzieren, geholfen werden.
Unterstützende Maßnahmen2,3
Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
Da PNH-Patient:innen an Anämie (Blutarmut) leiden, kann eine Transfusion die Symptome wie etwa Abgeschlagenheit lindern. Der Spiegel an roten Blutkörperchen wird angehoben. Bluttransfusionen müssen in regelmäßigen Abständen verabreicht werden.
Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation)
Eine schwerwiegende Komplikation der PNH ist die Thrombophilie – also die Neigung zur Bildung von Thrombosen (Blutgerinnseln). Moderne, zielgerichtet PNH-Therapien reduzieren das Thromboserisiko deutlich. In speziellen Fällen können zusätzlich sogenannte Antikoagulanzien, Medikamente die umgangssprachlich als Blutverdünner bekannt sind, angewendet werden.
Substituion von Eisen und Vitaminen
Zur Unterstützung der Blutbildung können Eisen, Vitamin B12 und Folsäure verabreicht werden.
Zielgerichtete Therapie
Bisherige Therapie
Hierbei handelt es sich um Arzneimittel, die als Antikörper das Komplementsystem hemmen. Durch die Hemmung des Komplementsystems werden die roten Blutkörperchen weitgehend vor der Zerstörung, der sog. Hämolyse, geschützt.
Wie aber bereits weiter oben erwähnt, kann die Zerstörung der roten Blutkörperchen an zwei Orten stattfinden: innerhalb und außerhalb der Blutgefäße. Bei der bisherigen Therapie können die Antikörper die Zerstörung nur innerhalb der Blutgefäße hemmen. Folglich können weiterhin rote Blutkörperchen außerhalb des Gefäßsystems zerstört werden, eine persistierende Blutarmut unterschiedlichen Ausmaßes kann daraus resultieren.
Aktuell gibt es zwei Antikörper-basierte Arzneimittel, welche die intravasale Hämolyse bei PNH unterdrücken. Sie werden alle 14 Tage bzw. alle 8 Wochen über eine Vene verabreicht.
Innovativer Therapieansatz
Im Dezember 2021 wurde ein Medikament zugelassen, das neben der intravasalen Hämolyse erstmals auch die extravasale Hämolyse hemmen und somit die roten Blutkörperchen auch außerhalb der Blutgefäße besser schützen kann.8,9
Stellt man sich den Ablauf der Zerstörung der Erythrozyten wie eine Art Reaktionskette vor, dann greift dieses Medikament früher ein. So wird die Zerstörung der roten Blutkörperchen zu einem früheren Zeitpunkt gehemmt und die roten Blutkörperchen sind vor einer übermäßigen Zerstörung außerhalb und innerhalb der Blutgefäße geschützt.
Dieses Medikament wird zweimal pro Woche mit einer Infusionspumpe über eine feine Nadel unter die Haut gespritzt. Nach Anleitung durch den Arzt oder die Ärztin können die Patient:innen die Medikamentengabe zuhause selbstständig durchführen.
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Infos für Patienten
„Sie sind mehr als Ihre PNH” - Weiterführende Informationen für PNH-Patienten.
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Quellen
1. Hillmen P et al. Br J Haematol 2013
2. Pschyrembel Online, https://www.pschyrembel.de/Paroxysmale%20n%C3%A4chtliche%20H%C3%A4moglobinurie/K09AX aufgerufen am 11.1.2023
3. DGHO-Leitlinie zur PNH https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/paroxysmale-naechtliche-haemoglobinurie-pnh/@@guideline/html/index.html aufgerufen am 11.1.2023
4. Kreuzer KA. Referenz Hämatologie, Teil III Hämatologische Krankheitsbilder. Thieme 2019
5. Röth A; Dührsen U. Dtsch Arztebl 2007
6. Risitano AM et al. Frontiers in Immunol 2019
7. Patriquin CJ, et al. Transfus Med Rev 2019
8. Hillmen P, et al. N Engl J Med 2021